Lehrende: Benedicta Victoria Maria Hermanns
Veranstaltungsart:
Vorlesung
Anzeige im Stundenplan:
Behav. Health Econ.
Semesterwochenstunden:
3
Credits:
6,0
Unterrichtssprache:
Deutsch / Englisch
Min. | Max. Teilnehmerzahl:
- | -
Kommentare/ Inhalte:
Inhaltlich ist die Veranstaltung auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie (auch bekannt unter dem englischen Begriff „Behavioral Economics“) zu verorten. Im Mittelpunkt steht das (ökonomische) Entscheidungsverhalten von Menschen. Dabei nutzt die Verhaltensökonomie Erkenntnisse und Methoden benachbarter Disziplinen, wie der Psychologie, Soziologie und Neurobiologie. Zentrales Augenmerk der Verhaltensökonomie ist, dass sich die Menschen nicht immer entsprechend der klassischen Annahmen der Wirtschaftswissenschaften verhalten. Sie sind nicht immer eigennützig und treffen vielfach Entscheidungen, die aus Sicht der Theorie des Rationalverhaltens nicht optimal sind.
Eine Methode, um in Bezug auf das Verhalten von Menschen zu Erkenntnissen zu gelangen, sind Laborexperimente. Mit diesen Experimenten kann das Verhalten von Menschen unter kontrollierten Bedingungen studiert werden. Dazu werden Einflussfaktoren auf das Verhalten (wie zum Beispiel institutionelle Rahmenbedingungen) isoliert betrachtet. Verhaltens-änderungen sind dann explizit auf die Variation der experimentellen Parameter zurückzuführen. Diese Methode hat in den letzten 50 Jahren maßgeblich zum Verständnis des Wirtschaftsverhaltens beigetragen (Bardsley et al., 2020). Allein durch andere wirtschaftswissenschaftliche Methoden hätten Erkenntnisse darüber nicht oder nur sehr schwer gewonnen werden können. Der Erfolg dieser Arbeitsweise zeigt sich in den Preisträger*innen des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften. Unter anderem gewannen ihn die experimentellen Wirtschaftsforscher*innen Daniel Kahneman, Vernon Smith, Reinhard Selten und Esther Duflo.
Verhaltensökonomische und experimentelle Erkenntnisse finden gerade dort Anwendung, wo Marktmechanismen nicht immer zu optimalen Ergebnissen führen, so wie im Gesundheitswesen. Themenbereiche umfassen Impfentscheidungen, Organspende, riskantes Gesundheitsverhalten, finanzielle Anreize und Vergütungssysteme von Ärzten, Krankenversicherungen (Galizzi und Wiesen, 2017, 2018). Aber auch Risiko- und Zeitpräferenzen sowie Rationalitätsdefizite von Konsumenten und Leistungserbringern werden erforscht. Dies sind wichtige Faktoren, die auch in der vergangenen Pandemielage Verhalten erklären können. Die Anwendung der verhaltensökonomischen Forschung auf den Gesundheitsbereich bietet durch ihren interdisziplinären Zugang nicht nur ein breites Forschungsfeld, sondern auch Lösungsansätze, die sich näher an dem realen menschlichen Verhalten orientieren.
Lernziel:
Die Studierenden werden befähigt, die Methodik der experimentellen Wirtschaftsforschung anzuwenden. Sie erhalten einen Einblick in aktuelle Forschungsarbeiten und werden befähigt, diese kritisch hinsichtlich interner und externer Validität zu würdigen. Sie werden befähigt, eine selbständige experimentelle Studie anzufertigen, online durchzuführen und diese auszuwerten. Die Studierenden durchlaufen den Prozess eines gesundheitsökonomischen Experiments von A bis Z in einem Semester. Dies beinhaltet: Ideenfindung, Konzeption und Design, Programmierung, Durchführung, Auswertung, Präsentation und Verschriftlichung.
Vorgehen:
Dieser Kurs erfordert einen erhöhten Arbeitsaufwand!
Um den Prozess eines Experiments von A bis Z innerhalb eines Semesters durchlaufen zu können, muss sich der Kurs auf ausgewählte Forschungsfragen konzentrieren. Es wird ein Basisexperiment konzipiert und programmiert. Somit erhalten die Studierenden einen Ausgangsunkt, um ihre eigenen Forschungsfragen als Experimentvariation entwickeln zu können. Die Einschränkung des Forschungsbereichs erfordert von den Studierenden einerseits ein gewisses Maß an Pragmatismus, um unter den gegebenen Budget- und Zeitvoraussetzungen relevante Fragestellungen zu entwickeln. Andererseits sind unter diesen Bedingungen auch besonders kreative Lösungen zu erwarten. Ferner soll mit diesem Ansatzpunkt verdeutlicht werden, dass bereits minimale Veränderungen an Design-Parametern sichtbare Veränderungen im Entscheidungsverhalten bewirken können.
Ein zentraler Aspekt der Veranstaltung besteht in der Transferarbeit. Wissen wird nicht nur durch die Auseinandersetzung mit bestehenden Forschungsarbeiten, sondern auch durch den Prozess der eigenen Datengenerierung erlangt. Wenn Studierende publizierte Forschungsarbeiten lesen, dann erscheinen ihnen viele Handlungsschritte logisch und selbstverständlich. Stehen die Studierenden dann selbst vor Designentscheidungen, die sie abwägen müssen, dann werden Problemstellungen beim Forschungsdesign deutlich. Eigene Recherchen und Überlegungen müssen angestellt werden. Durch diesen problemorientierten Ansatz ist der Erkenntnisgewinn umfangreicher und nachhaltiger. Zukünftig kann das Experiment-Design anderer Studien kritischer hinterfragt werden. Das Veranstaltungsformat bietet zudem einen Rahmen, in dem sich Studierende selbst in die Veranstaltung einbringen, sich gegenseitig unterstützen und mit ihren Mitstudierenden in einen Diskurs gehen können. Darüber hinaus kann die Veranstaltung durch die Beantwortung eigener Forschungsfragen dazu beitragen, auch die studienbezogene Motivation der Studierenden zu steigern und ihre Neugierde zu wecken.
Die Veranstaltung hat Seminarcharakter. Zu Beginn der Veranstaltung werden Grundlagen zur Verhaltensökonomie und zur Methode der experimentellen Wirtschaftsforschung erarbeitet. Es folgen weitere wöchentliche gemeinsame Meetings zur Konzeption des Experiments. In Kleingruppen werden Forschungsfragen bzw. Experimentvariationen erarbeitet. Anschließend werden diese der gesamten Gruppe vorgestellt, um ein möglichst vielfältiges Feedback zu erhalten. Im Anschluss wird ein Experiment zur Durchführung ausgewählt, um die Ressourcen effizient zu nutzen. Danach beginnt die Programmierphase, die vom WiSo-Forschungslabor durchgeführt wird. Vorerfahrungen im Programmieren sind daher nicht notwendig. Im Januar 2024 soll das Experiment durchgeführt werden.
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